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Führerschein und medizinisches Cannabis – Fallstricke im Alltag

Immer mehr Menschen nutzen medizinisches Cannabis zur Behandlung chronischer Schmerzen, Spastiken oder neurologischer Erkrankungen. Grundsätzlich ist die Teilnahme am Straßenverkehr erlaubt – sofern die Fahrtüchtigkeit nicht eingeschränkt ist. Doch was passiert, wenn Patient:innen in eine Polizeikontrolle geraten? Wie reagieren Führerscheinstellen? Und worauf müssen Betroffene im Alltag achten?

Dieser Beitrag beleuchtet aktuelle Fallstricke und rechtliche Unsicherheiten im Umgang mit medizinischem Cannabis und Fahrerlaubnis – auf dem Stand von Mitte 2025.

Rechtlicher Rahmen: Medizinisches Cannabis ist kein Fahrverbot

Wer medizinisches Cannabis rechtmäßig verschrieben bekommt und stabil eingestellt ist, darf grundsätzlich fahren. Das ergibt sich aus § 11 FeV (Fahrerlaubnisverordnung) sowie der ständigen Rechtsprechung.

Laut Anlage 4 Nr. 9.2.2 FeV ist die Fahreignung nicht ausgeschlossen, wenn die Einnahme auf ärztliche Verordnung erfolgt und keine verkehrsrelevanten Nebenwirkungen auftreten.

„Die Fahreignung kann bei bestimmungsgemäßem Gebrauch eines Cannabisarzneimittels bestehen, wenn kein zusätzlicher, nicht ärztlich verordneter Konsum erfolgt.“
BASt: Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung, 2022, S. 146

Neue Problemfelder 2025: Kontrollpraxis und Führerscheinstelle

Trotz klarer Regelungen geraten viele Patient:innen in Konflikt mit der Polizei oder Fahrerlaubnisbehörde – aus folgenden Gründen:

  1. Polizeikontrolle mit THC-Nachweis

Auch bei legaler Verordnung kann ein positiver THC-Nachweis zu Unsicherheiten führen – insbesondere, wenn:

  • keine ärztliche Verordnung mitgeführt wird,
  • Ausfallerscheinungen dokumentiert werden,
  • oder Polizist:innen den Freizeitkonsum vermuten.

In solchen Fällen kann ein Bußgeldverfahren oder ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) folgen – trotz ärztlicher Therapie.

  1. Mischkonsum oder private Eigenanbau-Produkte

Seit Einführung des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) 2024 ist der private Anbau legal, aber medizinisch nicht verwertbar. Wer Produkte aus dem Eigenanbau nutzt, obwohl eine ärztliche Verordnung vorliegt, kann die Fahreignung verlieren – denn:

  • keine kontrollierte Dosierung,
  • keine Qualitätsnachweise,
  • keine pharmazeutische Beratung.

Die Trennung von Freizeit- und Medizinalkonsum ist daher für Führerscheinstellen zentral.

  1. Neue Anforderungen durch BMDV-Richtlinie 2025

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hat 2025 neue Handreichungen für Führerscheinstellen veröffentlicht. Diese fordern unter anderem:

  • eine ärztlich bestätigte stabile Einstellung,
  • dokumentierte Therapietreue (z. B. regelmäßige Nachweise),
  • ggf. Nachuntersuchung nach 12 Monaten bei hochdosierter THC-Medikation.

Eine „stabile Einstellung“ umfasst u. a. eine konstante Dosierung, fehlende Ausfallerscheinungen und die ärztliche Bestätigung der Fahrtauglichkeit.

Was Patient:innen tun können

Um Konflikte zu vermeiden, sollten Patient:innen im Alltag folgende Punkte beachten:

Verordnung mitführen – sowohl BtM-Rezeptkopie als auch ärztliche Bescheinigung.
Keine Mischkonsum – also kein gleichzeitiger Konsum von Apothekenprodukt und Eigenanbau.
Keine Ausfallerscheinungen riskieren – Müdigkeit, Schwindel oder verlangsamte Reaktion vermeiden.
Therapietreue dokumentieren – durch regelmäßige Arztkontakte oder Einnahmetagebuch.
Auf Nachfrage erklären können, warum eine medizinische Behandlung mit THC-haltigem Cannabis erfolgt und wie hoch die Dosis ist.

MPU und Führerscheinentzug: Was tun im Ernstfall?

Wenn die Fahrerlaubnisbehörde Zweifel an der Fahreignung äußert, droht eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU). Diese wird v. a. dann angeordnet, wenn:

  • THC-Konzentrationen stark erhöht waren,
  • ein Mischkonsum vermutet wird,
  • oder es bereits Auffälligkeiten im Straßenverkehr gab.

Für Patient:innen mit ärztlicher Verordnung kann ein sachgerecht geführtes MPU-Verfahren aber positiv ausgehen – vorausgesetzt, die medizinische Notwendigkeit und Fahrtauglichkeit sind gut dokumentiert.

Abgrenzung & Dokumentation

Medizinisches Cannabis erlaubt die Teilnahme am Straßenverkehr – aber nicht grenzenlos. Besonders die Abgrenzung vom Freizeitkonsum, eine sorgfältige Dokumentation und ein verantwortungsvoller Umgang sind entscheidend. Wer als Patient:in rechtlich auf der sicheren Seite sein möchte, sollte ärztliche Nachweise griffbereit haben und sich der möglichen Fallstricke bewusst sein. Denn zwischen Recht und Realität liegt oft eine Grauzone – und die entscheidet im Zweifel über den Führerschein.

Literatur

[1] FeV Anlage 4, Nr. 9.2.2; § 11 FeV
[2] Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt): Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung, 2022
[3] Empfehlung der Arbeitsgruppe „Cannabis im Straßenverkehr“, BMDV 2024
[4] BMDV-Handreichung zur Fahreignung bei Cannabismedikation, Entwurf 2025
[5] Schüler, R. in: Müller-Vahl/Grotenhermen (Hrsg.), Cannabis und Cannabinoide in der Medizin, 2024