Was sind pflanzliche Schlafmittel?
Pflanzliche Schlafmittel sind Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel, deren Inhaltsstoffe aus Heilpflanzen stammen und zur Linderung von Ein- und Durchschlafstörungen eingesetzt werden. Im Gegensatz zu chemisch-synthetischen Schlafmitteln wirken sie meist milder, verursachen seltener Abhängigkeit und beeinträchtigen die Schlafarchitektur weniger stark. Viele Präparate sind rezeptfrei erhältlich und gelten als gut verträglich – insbesondere bei leichten bis moderaten Schlafproblemen.
Die wichtigsten pflanzlichen Schlafhilfen basieren auf jahrhundertealten Traditionen der Phytotherapie und wurden in modernen Studien teilweise wissenschaftlich untersucht. Die meisten wirken nicht direkt schlaferzwingend (wie Benzodiazepine oder Z-Substanzen), sondern unterstützen die Schlafbereitschaft durch beruhigende, angstlösende oder stimmungsaufhellende Effekte.
Typische Anwendungsbereiche sind:
- Einschlafstörungen bei Stress oder innerer Unruhe
- Schlafunterbrechungen im Zusammenhang mit leichter Depression oder hormonellen Schwankungen
- Schlafprobleme im Alter, bei Schichtarbeit oder Jetlag
Pflanzliche Mittel eignen sich besonders für Patient:innen, die keine medikamentöse Dauertherapie wünschen oder bei denen klassische Schlafmedikamente nicht infrage kommen. Dabei ist zu beachten: Auch pflanzliche Wirkstoffe können Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen verursachen – insbesondere bei gleichzeitiger Einnahme von Psychopharmaka oder Antihypertensiva.
Warum viele auf pflanzliche Schlafmittel setzen
Wunsch nach Natürlichkeit – Angst vor Nebenwirkungen chemischer Präparate
Viele Menschen, die unter Schlafproblemen leiden, scheuen den Griff zu klassischen Schlafmitteln wie Benzodiazepinen oder Z-Substanzen. Die Angst vor Nebenwirkungen wie Abhängigkeit, Tagesmüdigkeit, Gedächtnisstörungen oder einem „Hangover“-Effekt am Morgen ist weit verbreitet. Auch der Gedanke, sich langfristig auf „Chemie“ zu verlassen, erzeugt bei vielen Unbehagen – insbesondere wenn es sich nicht um eine schwere, sondern eher situative oder stressbedingte Schlafstörung handelt.
Pflanzliche Schlafmittel erscheinen hier als sanfter Weg: natürlich, rezeptfrei und oft seit Jahrhunderten bewährt. Der Trend zur „sanften Medizin“ wird durch Werbung, Influencer, Apothekenempfehlungen und Selbsthilfegruppen zusätzlich befeuert. Dabei bleibt oft unerwähnt, dass auch pflanzliche Wirkstoffe pharmakologisch aktiv sind – mit entsprechender Wirkung, aber eben auch Risiken.
Rezeptfrei in Apotheke, Drogerie oder Onlinehandel – ein zweischneidiges Schwert
Die Tatsache, dass viele pflanzliche Schlafmittel rezeptfrei erhältlich sind, ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits senkt sie die Hemmschwelle, überhaupt etwas gegen die eigenen Schlafprobleme zu unternehmen. Andererseits fördert sie auch die unkritische Selbstmedikation – oft ohne ärztliche Diagnose, ohne Beachtung möglicher Wechselwirkungen und ohne differenzierte Einschätzung, ob die Ursache der Schlafprobleme überhaupt pflanzlich behandelbar ist.
Zudem unterscheidet sich die Qualität frei verkäuflicher Präparate mitunter drastisch: Dosierungen sind nicht einheitlich, Wirkstoffgehalte schwanken, und einige Produkte enthalten Mischungen, deren Effekte nicht ausreichend erforscht sind. Für Betroffene ist es schwer, hier die Spreu vom Weizen zu trennen.
Wann pflanzliche Schlafmittel helfen können – und wann nicht
Pflanzliche Mittel können bei leichten bis moderaten Ein- oder Durchschlafproblemen durchaus wirksam sein – vor allem dann, wenn diese auf Stress, innere Unruhe oder hormonelle Veränderungen zurückzuführen sind. Auch in Kombination mit Schlafhygiene, Entspannungsverfahren oder kognitiver Verhaltenstherapie (CBT-I) können sie eine sinnvolle Ergänzung darstellen.
Kritisch wird es jedoch bei chronischen Schlafstörungen, komorbiden psychischen Erkrankungen (z. B. Depression, ADHS, Angststörungen) oder gravierender Tagesmüdigkeit: Hier reicht die alleinige Einnahme pflanzlicher Mittel meist nicht aus. In solchen Fällen ist eine fachärztliche Abklärung essenziell – auch, um organische Ursachen wie Schlafapnoe oder neurologische Störungen auszuschließen.
Überblick über pflanzliche Wirkstoffe bei Schlafproblemen
Baldrian (Valeriana officinalis) – der Klassiker unter den Einschlafhilfen
Baldrianwurzel ist das wohl bekannteste pflanzliche Schlafmittel in Europa. Ihre Wirkung beruht auf einem Zusammenspiel verschiedener Inhaltsstoffe wie Valerensäuren, Lignanen und ätherischen Ölen. Studien weisen darauf hin, dass Baldrian die GABA-Aktivität im Gehirn modulieren und damit beruhigend wirken kann [1]. Besonders bei Einschlafproblemen aufgrund von Nervosität oder innerer Anspannung berichten viele Patient:innen von positiven Effekten.
Allerdings fällt die Studienlage uneinheitlich aus: Während einige randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) eine Wirkung bestätigen, zeigen andere keinen signifikanten Unterschied zur Placebogruppe [2]. Zudem ist Geduld gefragt – die volle Wirkung entfaltet sich oft erst nach mehreren Tagen oder Wochen regelmäßiger Einnahme.
Hopfen und Melisse – beruhigend und angstlösend
Hopfen (Humulus lupulus) ist nicht nur als Bierbestandteil bekannt, sondern enthält mit Humulon und Lupulon auch schlaffördernde Inhaltsstoffe. In Kombination mit Baldrian kann Hopfen dessen Wirkung offenbar verstärken [3]. Melisse (Melissa officinalis) hingegen wird v. a. wegen ihrer angstlösenden und entspannenden Wirkung geschätzt. Ihre Inhaltsstoffe greifen ebenfalls ins GABAerge System ein und können so Spannungszustände mildern [4].
Beide Pflanzen werden häufig in Kombinationspräparaten eingesetzt, die auf den ersten Blick harmlos wirken – aber bei gleichzeitiger Einnahme mit anderen zentral wirksamen Medikamenten (z. B. Antidepressiva oder Neuroleptika) Rücksprache mit ärztlichem Personal erfordern.
Lavendel – Wirkung auf Nervensystem und Stresshormone
Lavendel (Lavandula angustifolia), insbesondere in Form von Lavendelöl (z. B. Silexan®), hat in mehreren Studien anxiolytische und leicht sedierende Effekte gezeigt [5]. Es wirkt über Serotonin- und Kalziumkanal-vermittelte Mechanismen und kann bei nervöser Unruhe, Einschlafproblemen und leichten Angstzuständen helfen. Seine Wirkung ist pharmakologisch gut dokumentiert und wird von der ESCOP und EMA anerkannt.
Ein Vorteil: Lavendelöl wirkt nicht über das GABA-System und verursacht damit deutlich seltener Wechselwirkungen oder Nebenwirkungen als andere pflanzliche Mittel.
Passionsblume – unterschätzte Hilfe bei innerer Unruhe
Die Passionsblume (Passiflora incarnata) ist ein traditionelles pflanzliches Sedativum, das beruhigend und angstlösend wirkt – insbesondere bei innerer Unruhe und vegetativer Nervosität. Erste Studien deuten auf einen potenziellen Nutzen bei Schlafstörungen hin, allerdings ist die Studienlage noch begrenzt [6].
Als Teil von Kombinationspräparaten wird Passionsblume zunehmend beliebter, zum Beispiel in Verbindung mit Melisse, Hopfen oder Baldrian. In der Naturheilkunde gilt sie als sanftes Mittel zur Förderung innerer Ausgeglichenheit.
Kombinationspräparate – Synergie oder Überdosierung?
Viele frei verkäufliche Produkte setzen auf eine Kombination mehrerer Pflanzenextrakte. Der Gedanke dahinter: Synergieeffekte durch unterschiedliche Wirkmechanismen. In der Praxis ist dies jedoch nicht unproblematisch. Einerseits fehlen oft belastbare Studien zur genauen Wirkweise solcher Mischungen. Andererseits erhöht sich die Gefahr von Wechselwirkungen, insbesondere bei älteren Menschen oder Personen mit Multimedikation [7].
Wer solche Präparate nutzen möchte, sollte auf standardisierte Wirkstoffgehalte, geprüfte Qualität und eine ärztliche Einschätzung achten – insbesondere bei chronischen Beschwerden oder paralleler Einnahme von Medikamenten.
Wie wirksam sind pflanzliche Schlafmittel wirklich?
Studienlage: Was sagen randomisierte kontrollierte Studien (RCTs)?
Die Wirksamkeit pflanzlicher Schlafmittel wird seit Jahren wissenschaftlich untersucht – mit teils widersprüchlichen Ergebnissen. Während einzelne randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) insbesondere für Baldrian, Lavendelöl und Kombinationen aus Baldrian-Hopfen positive Effekte zeigen konnten, sind viele Studienmethoden nicht frei von Kritik [8].
Ein zentrales Problem: Die Heterogenität der Studien – in Bezug auf Dosierung, Präparat, Einnahmedauer und verwendete Messinstrumente. Dennoch zeigen Metaanalysen, dass bestimmte pflanzliche Mittel, vor allem Baldrian und Lavendel, bei leichten bis moderaten Einschlafstörungen besser abschneiden als Placebo [9].
Zudem ist zu berücksichtigen, dass pflanzliche Mittel selten eine sofortige, „schlaftablettenähnliche“ Wirkung entfalten, sondern ihre Effekte eher schleichend und kumulativ einsetzen.
Unterschiede zwischen Einschlaf- und Durchschlafstörungen
Nicht jedes pflanzliche Mittel wirkt gleich – und schon gar nicht bei jeder Art von Schlafstörung. Während Baldrian, Lavendel und Melisse eher bei Einschlafproblemen helfen, zeigen sie bei ausgeprägten Durchschlafstörungen oft nur begrenzte Effekte [10].
Durchschlafstörungen sind häufig komplexer, mit hormonellen, psychischen oder neurologischen Komponenten verbunden. Pflanzliche Mittel können hier unterstützend wirken – ersetzen aber selten eine weiterführende Diagnostik oder Behandlung.
Auch der Zeitpunkt der Einnahme spielt eine Rolle: Einige Wirkstoffe (z. B. Baldrian) entfalten ihre optimale Wirkung, wenn sie etwa 1–2 Stunden vor dem Schlafengehen eingenommen werden.
Pflanzliche Mittel bei Kindern – was ist erlaubt, was sinnvoll?
Der Einsatz pflanzlicher Schlafmittel bei Kindern ist ein sensibles Thema. Zwar gelten viele Pflanzenstoffe grundsätzlich als sicher – doch fehlen häufig belastbare Daten zu Wirksamkeit, Langzeiteffekten und kindgerechter Dosierung [11].
In Deutschland sind nur wenige pflanzliche Präparate explizit für Kinder zugelassen. Baldrian beispielsweise wird erst ab 12 Jahren empfohlen, Lavendelöl sogar meist erst ab dem 18. Lebensjahr. Eltern sollten in jedem Fall Rücksprache mit Kinderärzt:innen halten, bevor sie zu pflanzlichen Schlafmitteln greifen.
Im Vordergrund stehen bei Kindern stets schlafhygienische Maßnahmen, verhaltenstherapeutische Unterstützung und ggf. die Abklärung psychischer Ursachen – etwa ADHS, Trennungsangst oder sensorische Überreizung.
Risiken und Grenzen – nicht alles, was pflanzlich ist, ist harmlos
Dosierung und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Pflanzliche Schlafmittel genießen in der Bevölkerung den Ruf, sanft und risikofrei zu sein – doch dieser Eindruck kann täuschen. Die Dosierung spielt eine zentrale Rolle: Viele rezeptfreie Präparate enthalten entweder zu geringe Wirkstoffmengen oder schwanken stark in ihrer Konzentration. Eine standardisierte Dosierung ist selten gegeben, insbesondere bei Teemischungen oder freiverkäuflichen Extrakten [12].
Zudem besteht das Risiko von Wechselwirkungen. So kann Baldrian die Wirkung von Benzodiazepinen oder Barbituraten verstärken – mit erhöhter Gefahr für Schläfrigkeit und Stürze. Lavendelöl wiederum kann über Cytochrom-P450-Enzyme die Wirkung von Antidepressiva oder Antikoagulanzien beeinflussen. Auch Johanniskraut (häufig in Kombinationspräparaten enthalten) interagiert mit zahlreichen Medikamenten, etwa der Antibabypille, Immunsuppressiva oder HIV-Therapeutika [13].
Qualitätsunterschiede bei frei verkäuflichen Präparaten
Die Qualität pflanzlicher Schlafmittel hängt stark vom Hersteller, dem Extraktionsverfahren und der botanischen Rohware ab. In Studien wurden bei Nahrungsergänzungsmitteln mit Pflanzenextrakten erhebliche Schwankungen hinsichtlich Gehalt, Reinheit und Deklaration festgestellt [14].
Während apothekenpflichtige Phytopharmaka strenger kontrolliert werden, gelten für frei verkäufliche Produkte im Onlinehandel oder in Drogerien oft nur Lebensmittelstandards – ohne verpflichtende Wirksamkeitsnachweise oder lückenlose Kontrollen auf Pestizide, Schwermetalle oder mikrobielle Belastung.
Deshalb gilt: Bei ernsthaften Schlafproblemen sollten nur qualitativ geprüfte Präparate aus der Apotheke oder von anerkannten Herstellern verwendet werden.
Selbstmedikation bei schweren Schlafstörungen: gefährlich?
Viele Menschen greifen bei anhaltenden Schlafproblemen direkt zu rezeptfreien Mitteln – oft ohne ärztliche Abklärung. Doch gerade bei länger anhaltenden oder sich verschlechternden Beschwerden ist Selbstmedikation riskant. Dahinter können sich behandlungsbedürftige Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, ADHS oder organische Störungen (z. B. Schilddrüsenüberfunktion, Schlafapnoe) verbergen.
Zudem kann eine unkontrollierte Einnahme pflanzlicher Mittel dazu führen, dass ernsthafte Symptome verschleppt oder verstärkt werden. Bei chronischer Einnahme ohne diagnostische Abklärung besteht auch die Gefahr einer psychologischen Abhängigkeit („Ich kann ohne mein Mittel nicht mehr schlafen“), selbst wenn keine pharmakologische Suchtgefahr besteht [15].
Daher gilt: Pflanzliche Mittel können unterstützend wirken – aber sie ersetzen keine fundierte Diagnose oder evidenzbasierte Therapie.
Cannabis als pflanzliche Alternative bei chronischen Schlafstörungen
Unterschied zu klassischen Pflanzenwirkstoffen (THC, CBD, Terpene)
Im Gegensatz zu klassischen pflanzlichen Schlafmitteln wie Baldrian oder Passionsblume enthält Cannabis pharmakologisch hochwirksame Inhaltsstoffe – allen voran Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Während THC schlafanstoßend, muskelentspannend und schmerzlindernd wirkt, entfaltet CBD vor allem angstlösende, entzündungshemmende und beruhigende Effekte. Gemeinsam greifen sie über das körpereigene Endocannabinoidsystem in Prozesse wie Schlafregulation, Stressverarbeitung und zirkadiane Rhythmen ein [16].
Neben Cannabinoiden spielen auch Terpene eine wichtige Rolle. Diese aromatischen Verbindungen – etwa Linalool (beruhigend), Myrcen (sedierend) oder Caryophyllen (angstlösend) – können die Wirkung von THC und CBD modulieren („Entourage-Effekt“) und die individuelle Eignung einer Sorte für Einschlaf- oder Durchschlafstörungen beeinflussen [17].
Studienlage zur Wirksamkeit bei Schlafproblemen
Die wissenschaftliche Evidenz zu Cannabis als Schlafmittel ist noch im Aufbau, zeigt jedoch zunehmend positive Ergebnisse:
- Eine randomisierte Crossover-Studie aus Australien (2021) fand signifikante Verbesserungen der Einschlafzeit und Schlafqualität bei Patient:innen mit chronischer Insomnie nach Einnahme eines THC/CBD-haltigen Extrakts im Vergleich zu Placebo [18].
- Auch in Studien zu Schmerzpatient:innen, ADHS-Betroffenen oder PTBS-Erkrankten wurde Cannabis häufig als schlafförderndes Mittel beschrieben – nicht nur durch direkte Effekte, sondern auch durch Linderung der zugrundeliegenden Symptome [19].
- Eine Meta-Analyse aus 2022 betont jedoch, dass die Datenlage heterogen sei und der Langzeiteffekt, insbesondere auf die Schlafarchitektur, noch unzureichend erforscht ist [20].
Für wen Cannabis als Schlafmittel infrage kommt (ADHS, PTSD, Schmerzen)
Cannabis bei Schlafstörungen wird vor allem bei Menschen mit therapieresistenter Insomnie, chronischen Schmerzen, Angststörungen, PTBS oder ADHS in Erwägung gezogen – häufig in Fällen, bei denen klassische Medikamente (z. B. Benzodiazepine, Antidepressiva) nicht wirksam oder unerwünscht sind.
Gerade bei ADHS zeigen sich vielversprechende Anwendungsbereiche: Cannabis kann sowohl die Einschlaflatenz senken als auch nächtliche Unruhe mindern – vorausgesetzt, es erfolgt eine engmaschige medizinische Steuerung. Auch PTSD-Patient:innen profitieren häufig von der Reduktion nächtlicher Flashbacks und Alpträume [21].
Abgrenzung: freiverkäufliche CBD-Produkte vs. medizinisches Cannabis
Wichtig ist die Unterscheidung zwischen freiverkäuflichen CBD-Produkten und medizinischem Cannabis:
- CBD-Öle aus dem Handel dürfen in Deutschland maximal 0,2 % THC enthalten und gelten als Nahrungsergänzungsmittel – nicht als Arzneimittel. Ihre Qualität, Dosierung und Wirksamkeit sind oft uneinheitlich.
- Medizinisches Cannabis hingegen wird vom Arzt verordnet, unterliegt strengen pharmazeutischen Vorgaben und enthält definierte Mengen an THC und/oder CBD – entweder in Form von Blüten, Extrakten oder Rezepturen.
Für eine gezielte schlaffördernde Wirkung ist medizinisches Cannabis in der Regel die verlässlichere Option – allerdings nur im Rahmen einer individuellen ärztlichen Bewertung.
Anwendung und Einnahmeformen pflanzlicher Schlafmittel
Kapseln, Tees, Öle, Tinkturen – was ist sinnvoll?
Pflanzliche Schlafmittel sind in einer Vielzahl von Darreichungsformen erhältlich – jede mit eigenen Vor- und Nachteilen:
- Kapseln und Tabletten bieten eine exakte Dosierung und sind ideal für standardisierte Einnahmeschemata. Besonders Kombinationspräparate mit Baldrian, Hopfen und Melisse sind weit verbreitet.
- Tees und Aufgüsse mit Lavendel, Passionsblume oder Melisse fördern durch das abendliche Ritual zusätzlich die Entspannung – allerdings ist die Wirkstoffkonzentration variabel und geringer.
- Tinkturen und Tropfen enthalten konzentrierte Extrakte, meist in alkoholischer Lösung. Sie ermöglichen eine flexible Dosierung, sollten aber bei Kindern und empfindlichen Personen mit Vorsicht verwendet werden.
- Aromatherapeutische Anwendungen wie Lavendelöl zur Raumbeduftung oder als Badezusatz wirken indirekt beruhigend und eignen sich besonders als ergänzende Maßnahme.
Die Wahl der Form hängt vom individuellen Bedarf, Verträglichkeit und der gewünschten Wirkungsgeschwindigkeit ab [22].
Wann wirken pflanzliche Mittel am besten – Timing & Schlafhygiene
Die Wirkung pflanzlicher Präparate entfaltet sich nicht sofort. Viele benötigen eine regelmäßige Einnahme über mindestens ein bis zwei Wochen, um ihre volle Wirkung zu zeigen – insbesondere Baldrian zeigt einen kumulativen Effekt [23].
Empfohlen wird die Einnahme etwa 30 bis 60 Minuten vor dem Zubettgehen, möglichst kombiniert mit festen Einschlafritualen (z. B. Dunkelheit, Bildschirmverzicht, warme Tees).
Zentral ist die Einbettung in ein schlafhygienisch günstiges Umfeld: Pflanzliche Präparate allein können bei ungünstigem Verhalten (z. B. spätes Essen, Nikotin, unregelmäßiger Schlafrhythmus) kaum Wirkung entfalten.
Was bei Kindern und Jugendlichen zu beachten ist
Bei Kindern und Jugendlichen ist die Anwendung pflanzlicher Schlafmittel besonders sensibel zu betrachten:
- Viele Präparate sind nicht für Kinder unter 12 Jahren zugelassen oder nur nach Rücksprache mit dem Kinderarzt empfehlenswert.
- Lavendel, Melisse oder homöopathische Präparate werden am häufigsten eingesetzt – mit meist guter Verträglichkeit, aber begrenzter Evidenzlage.
- Auf Alkoholhaltige Tinkturen sollte verzichtet werden, ebenso auf hochdosierte Kombinationsmittel aus dem Internet oder Ausland.
Grundsätzlich gilt: Schlafprobleme im Kindesalter sollten immer ärztlich abgeklärt werden – insbesondere, wenn sie über Wochen anhalten oder mit Verhaltensauffälligkeiten einhergehen.
Wann pflanzliche Schlafmittel sinnvoll sind (und wann nicht)
Leichte bis moderate Schlafprobleme: Ja, aber mit Augenmaß
Pflanzliche Schlafmittel können eine wirksame und gut verträgliche Option bei leichten bis mittelschweren Schlafstörungen sein – insbesondere dann, wenn sie auf Stress, innere Unruhe oder nervöse Erschöpfung zurückzuführen sind. Sie eignen sich für Menschen, die keine chemischen Präparate einnehmen möchten oder deren Beschwerden nicht medikamentenpflichtig sind.
Wichtig ist jedoch ein realistischer Erwartungshorizont: Pflanzliche Präparate sind keine „Schlafgarantie“, sondern können die natürliche Einschlafbereitschaft fördern – vor allem bei regelmäßiger Anwendung und guter Schlafhygiene.
Chronische Schlafstörungen und psychische Komorbiditäten: ärztliche Abklärung nötig
Wer über Wochen oder Monate unter massiven Schlafproblemen leidet, sollte sich nicht ausschließlich auf frei verkäufliche Mittel verlassen. Insbesondere bei gleichzeitigen Symptomen wie depressiver Verstimmung, ADHS oder Trauma ist eine fachärztliche Diagnostik entscheidend.
Auch pflanzliche Mittel können hier begleitend hilfreich sein – sie sollten aber Teil eines multimodalen Therapieansatzes sein, nicht dessen Ersatz.
Pflanzlich ≠ harmlos – aber oft ein Baustein im multimodalen Ansatz
Der Begriff „pflanzlich“ wird häufig mit „ungefährlich“ gleichgesetzt. Tatsächlich können auch pflanzliche Präparate Nebenwirkungen, Wechselwirkungen oder Dosierungsprobleme verursachen – insbesondere bei gleichzeitiger Einnahme anderer Medikamente oder bei bestimmten Vorerkrankungen.
Trotzdem: Gut ausgewählte, qualitativ hochwertige Präparate aus der Apotheke können in vielen Fällen eine sinnvolle Unterstützung sein – als sanfte Einstiegshilfe oder begleitend zu anderen Maßnahmen wie Verhaltenstherapie, Entspannungstechniken oder – in bestimmten Fällen – auch medizinischem Cannabis.
Verwendete Quellen:
[1] Shinjyo, N. et al. (2020): Valerian Root in Treating Sleep Problems: A Systematic Review and Meta-Analysis. J Evid Based Integr Med.
[2] Fernández-San-Martín, M. et al. (2010): Meta-analysis on the efficacy of valerian preparations for the treatment of nervousness and insomnia. Phytomedicine.
[3] Koetter, U. et al. (2007): A combination of valerian and hops improves sleep. Phytotherapy Research.
[4] Kennedy, D. O. et al. (2006): Modulation of mood and cognitive performance following acute administration of Melissa officinalis (lemon balm). Phytother Res.
[5] Kasper, S. et al. (2010): Silexan in anxiety disorders and restlessness. Int J Psychiatry Clin Pract.
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