Migräne zählt weltweit zu den bedeutendsten neurologischen Erkrankungen – nicht nur wegen ihrer Häufigkeit, sondern vor allem wegen der massiven Einschränkungen, die sie im Alltag verursachen kann. Laut aktuellen epidemiologischen Schätzungen sind rund 12–15 % der Weltbevölkerung betroffen, Frauen etwa doppelt so häufig wie Männer [5], [13]. Die Erkrankung beginnt oft schon im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter und begleitet viele Betroffene über Jahrzehnte hinweg [6], [7].
WHO-Einstufung und globale Krankheitslast
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft Migräne als eine der führenden Ursachen für „Years Lived with Disability“ (YLD) ein [2]. Das bedeutet, dass Migräne in der globalen Statistik der nicht-tödlichen Erkrankungen zu denjenigen zählt, die am meisten Lebensjahre mit gesundheitlichen Einschränkungen verursachen – vergleichbar mit chronischen Rückenschmerzen oder schweren Depressionen. Studien wie die Global Burden of Disease Study belegen, dass Migräne weltweit eine der Hauptursachen für Arbeitsausfall, Produktivitätsverlust und eingeschränkte Lebensqualität ist [1], [4], [8].
Abgrenzung zu „normalem“ Kopfschmerz
Während ein „gewöhnlicher“ Kopfschmerz oft als lästig, aber erträglich empfunden wird, handelt es sich bei Migräne um eine klar definierte neurologische Erkrankung mit spezifischen Symptomen und pathophysiologischen Mechanismen [3], [9]. Sie geht häufig mit starken, pulsierenden Schmerzen, einer einseitigen Lokalisation sowie zusätzlichen Symptomen wie Übelkeit, Licht- oder Lärmempfindlichkeit einher [10], [14]. Auch wenn beide Zustände schmerzhaft sein können, erfordert Migräne eine gezielte medizinische Diagnostik und Therapie, um die Häufigkeit und Schwere der Anfälle zu reduzieren [17].
Was ist Migräne?
Definition und klinische Charakteristika
Migräne ist eine primäre, neurologische Kopfschmerzerkrankung, die durch wiederkehrende Anfälle charakterisiert ist [3], [9], [14]. Typischerweise treten einseitige, pulsierende oder stechende Kopfschmerzen auf, die in ihrer Intensität von mittel bis sehr stark reichen. Die Beschwerden verschlimmern sich häufig bei körperlicher Aktivität und gehen mit vegetativen Begleitsymptomen wie Übelkeit, Erbrechen sowie Licht- und Lärmempfindlichkeit einher [10], [15], [18]. Bei manchen Betroffenen ist der Kopfschmerz in eine sogenannte Aura-Phase eingebettet – neurologische Symptome wie Sehstörungen, Kribbelgefühle oder Sprachstörungen, die dem Kopfschmerz vorausgehen oder ihn begleiten [19], [21].
Häufigkeit und Betroffenengruppen
Migräne zählt weltweit zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen [5], [13]. Etwa 12–15 % der Bevölkerung sind betroffen, wobei Frauen – vermutlich hormonell bedingt – rund doppelt so häufig erkranken wie Männer [6], [22]. Auch genetische Faktoren spielen eine Rolle: Kinder von Migränepatient:innen haben ein deutlich erhöhtes Risiko, selbst zu erkranken [23]. Die Erkrankung manifestiert sich häufig schon im Jugendalter und erreicht ihren Häufigkeitsgipfel zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr [7], [24].
Typische Anfallsdauer und Begleitsymptome
Ein Migräneanfall dauert unbehandelt in der Regel zwischen 4 und 72 Stunden [25]. Die Schmerzintensität kann im Verlauf zunehmen, wobei die typischen Begleitsymptome stark variieren [10], [15]:
- Vegetativ: Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Durchfall
- Sensorisch: Photophobie (Lichtempfindlichkeit), Phonophobie (Lärmempfindlichkeit), Osmophobie (Geruchsempfindlichkeit)
- Neurologisch: Sehstörungen, Missempfindungen, motorische Schwäche (bei bestimmten Migräneformen)
Episodische vs. chronische Migräne
Die Internationale Kopfschmerzgesellschaft (IHS) unterscheidet zwischen episodischer und chronischer Migräne [26]:
- Episodische Migräne: Weniger als 15 Kopfschmerztage pro Monat
- Chronische Migräne: Über mindestens 3 Monate hinweg ≥ 15 Kopfschmerztage pro Monat, davon ≥ 8 Tage mit klaren Migränesymptomen
Die Übergänge können fließend sein [27]. Eine chronische Migräne entwickelt sich häufig aus einer langjährigen episodischen Form, oft begünstigt durch Stress, Schlafstörungen oder Medikamentenübergebrauch [28], [29].
Formen der Migräne
Migräne ohne Aura
Die Migräne ohne Aura ist die häufigste Form und macht etwa zwei Drittel aller Migränefälle aus [30], [31]. Die Anfälle beginnen oft ohne Vorwarnung, wobei die typischen Symptome wie einseitige, pulsierende Kopfschmerzen, Übelkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit im Vordergrund stehen [10], [15], [32]. Die Schmerzintensität steigt in der Regel innerhalb von 1–2 Stunden an und kann zwischen 4 und 72 Stunden anhalten [25].
Migräne mit Aura
Etwa ein Drittel der Migränepatient:innen erlebt eine Aura – eine neurologische Vorphase, die typischerweise 5 bis 60 Minuten vor dem eigentlichen Kopfschmerz auftritt [19], [21], [33].
- Visuelle Aura: Am häufigsten, mit Flimmern, Lichtblitzen, Zickzacklinien oder Gesichtsfeldausfällen [34].
- Sensorische Aura: Missempfindungen wie Kribbeln oder Taubheitsgefühle, oft beginnend in den Fingern oder im Gesicht [35].
- Sprachliche Aura: Vorübergehende Sprachstörungen (Dysphasie), wie Probleme beim Finden oder Aussprechen von Wörtern [36].
Die Aura kann isoliert auftreten, meist folgt jedoch der typische Kopfschmerz [19], [21].
Sonderformen der Migräne
Neben den Hauptformen existieren einige seltenere Varianten mit speziellen klinischen Merkmalen:
- Vestibuläre Migräne: Geprägt durch Schwindelattacken, die von typischen Migränesymptomen begleitet werden; häufig bei Frauen mittleren Alters [37], [38].
- Hemiplegische Migräne: Seltene Form mit vorübergehender, einseitiger Lähmung als Aura-Symptom; kann genetisch bedingt sein (familiäre Form) [39], [40].
- Retinale Migräne: Gekennzeichnet durch vorübergehende, einseitige Sehstörungen oder Blindheit auf einem Auge, die vollständig reversibel sind [41].
ICHD-3-Klassifikation
Die International Classification of Headache Disorders, 3. Auflage (ICHD-3), unterscheidet Migräneformen nach klar definierten Kriterien [26], [42]:
- Migräne ohne Aura
- Migräne mit Aura (inkl. Unterformen wie hemiplegisch, retinal)
- Chronische Migräne
- Komplikationen der Migräne (z. B. Status migränosus)
- Wahrscheinliche Migräne (wenn die Kriterien nicht vollständig erfüllt sind)
Ursachen und Auslöser (Pathophysiologie & Trigger)
Neurovaskuläre Mechanismen
Migräne gilt heute als neurovaskuläre Erkrankung, bei der das Zusammenspiel von Nerven- und Gefäßsystem zentral ist [9], [10]. Ausgangspunkt ist das trigeminovaskuläre System; während der Attacke wird u. a. das Neuropeptid CGRP freigesetzt, das vasodilatierend und proinflammatorisch wirkt und zur Sensibilisierung der Schmerzbahnen beiträgt [10], [11].
Genetische Prädisposition
Migräne zeigt eine deutliche familiäre Häufung; genetische Varianten erhöhen die neuronale Erregbarkeit und beeinflussen neurovaskuläre Prozesse. Für seltene Unterformen (z. B. hemiplegische Migräne) sind spezifische Mutationen beschrieben [12].
Typische Trigger
Migräneanfälle werden häufig durch individuell unterschiedliche Auslöser provoziert [14], [16]. Zu den häufigsten gehören:
- Ernährung: B. Alkohol (Rotwein), gereifter Käse, verarbeitete Fleischprodukte, histaminreiche Lebensmittel [14], [16].
- Hormonschwankungen: zyklusassoziierte Attacken bei Frauen sind häufig (menstruelle Migräne) [13].
- Schlafmuster: sowohl Schlafmangel als auch zu viel Schlaf („Wochenendmigräne“) können Attacken triggern [16].
- Wetter: rasche Änderungen von Luftdruck/Temperatur werden häufig berichtet [16].
- Stress/Stresswechsel: psychische Belastung und die Entspannungsphase danach („Wochenendphänomen“) sind typische Auslöser [15].
Interaktion von Triggern (Trigger-Stacking)
Nicht selten überschreitet erst die Kombination mehrerer Auslöser in kurzer Zeit den individuellen Migräneschwellenwert (z. B. Schlafmangel + hormonelle Umstellung + histaminreiches Essen) [14], [16]. Dieses kumulative Modell erklärt, warum Trigger an manchen Tagen eine Attacke auslösen, an anderen jedoch nicht [16].
Symptome und Diagnose
Leitsymptome
Migräneattacken sind typischerweise durch pulsierende oder pochende Kopfschmerzen gekennzeichnet, die meist einseitig auftreten, im Verlauf jedoch die Seite wechseln können [17], [18]. Die Schmerzintensität ist häufig mittel bis stark und beeinträchtigt den Alltag deutlich. Körperliche Aktivität wie Treppensteigen oder Bücken verschlimmert den Schmerz oft zusätzlich [17].
Begleitsymptome
Häufige vegetative Begleiterscheinungen sind:
- Übelkeit und Erbrechen
- Photophobie (Lichtempfindlichkeit)
- Phonophobie (Geräuschempfindlichkeit)
- bei manchen auch Osmophobie (Geruchsempfindlichkeit) [18], [19]
Diese führen oft dazu, dass Betroffene sich in einen abgedunkelten, ruhigen Raum zurückziehen.
Diagnostische Kriterien nach ICHD-3
Die International Classification of Headache Disorders (ICHD-3) definiert die Migräne ohne Aura anhand folgender Kriterien [20]:
- Mindestens 5 Attacken in der Anamnese, die diese Bedingungen erfüllen:
- Dauer: 4–72 Stunden (unbehandelt oder erfolglos behandelt)
- Kopfschmerz mit mindestens zwei dieser Merkmale:
- einseitige Lokalisation
- pulsierender Charakter
- mittlere oder starke Intensität
- Verstärkung durch oder Vermeidung von körperlicher Aktivität
- Während des Kopfschmerzes mindestens eines der folgenden Symptome:
- Übelkeit und/oder Erbrechen
- Photophobie und Phonophobie
- Keine bessere Erklärung durch andere Diagnosen.
Differentialdiagnosen
Eine präzise Abgrenzung ist entscheidend, um eine gezielte Therapie zu ermöglichen [21]:
- Spannungskopfschmerz: meist beidseitig, drückend/ziehend, milde bis mittlere Intensität, keine Aktivitätsverstärkung, keine oder nur milde Begleitsymptome.
- Clusterkopfschmerz: extrem starke, bohrende oder brennende Schmerzen, meist orbital, 15–180 Minuten Dauer, oft mit autonomen Symptomen (Tränenfluss, Nasenlaufen, Ptosis).
- Sekundäre Kopfschmerzen: B. durch Sinusitis, Trauma oder intrakranielle Pathologien – Anamnese, neurologische Untersuchung und ggf. Bildgebung sind hier entscheidend.
Konventionelle Therapieoptionen
Akuttherapie
Ziel der Akutbehandlung ist es, eine Migräneattacke möglichst früh zu unterbrechen und die Symptome zu lindern [22].
- Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR): Ibuprofen, Naproxen oder Acetylsalicylsäure wirken schmerzlindernd und entzündungshemmend, sollten jedoch bei Magenproblemen oder Nierenfunktionsstörungen vorsichtig eingesetzt werden [23], [24].
- Triptane (z. B. Sumatriptan, Zolmitriptan) binden an 5-HT1B/1D-Rezeptoren, verengen dilatierte Hirngefäße und hemmen die Freisetzung von Entzündungsmediatoren [25], [26]. Sie sind kontraindiziert bei kardiovaskulären Erkrankungen und sollten früh im Anfall eingenommen werden.
- Antiemetika wie Metoclopramid oder Domperidon lindern Übelkeit/Erbrechen und verbessern die Aufnahme anderer Medikamente [27].
Neue Optionen:
- Ditane (z. B. Lasmiditan) wirken serotoninerg, jedoch ohne Vasokonstriktion, und sind damit für Patient:innen mit kardiovaskulären Risiken geeignet [28].
- Gepants (z. B. Ubrogepant, Rimegepant) blockieren den CGRP-Rezeptor und unterbrechen so neurovaskuläre Entzündungsprozesse [29].
Kombination & Einnahmelimitierung:
Bei schweren Anfällen kann eine Kombination aus NSAR und Triptan erwogen werden [24]. Zur Vermeidung eines Medication Overuse Headache (MOH) sollte die Einnahme von Akutmedikation auf maximal 10 Tage pro Monat begrenzt werden [30].
Prophylaxe
Eine vorbeugende Therapie ist angezeigt, wenn Migräneattacken häufig (≥ 4 pro Monat), langanhaltend, sehr belastend sind oder die Akuttherapie unzureichend wirkt [22].
Klassische medikamentöse Prophylaktika:
- Betablocker (z. B. Propranolol, Metoprolol) stabilisieren die Gefäßreaktion [23].
- Antikonvulsiva (z. B. Topiramat, Valproinsäure) reduzieren neuronale Übererregbarkeit [24].
- Trizyklische Antidepressiva (z. B. Amitriptylin) sind insbesondere bei komorbiden Schlafstörungen oder depressiver Symptomatik wirksam [25].
CGRP-Antikörper:
Monoklonale Antikörper (z. B. Erenumab, Fremanezumab, Galcanezumab) blockieren CGRP oder dessen Rezeptor und reduzieren die Aktivierung des trigeminovaskulären Systems [28], [29].
- Wirkprinzip: Hemmung des Schmerzmediators CGRP.
- Wirksamkeit: Reduktion der Migränetage um bis zu 50 % bei einem großen Teil der Patient:innen.
- Nebenwirkungen: Meist leicht (z. B. Reaktionen an der Injektionsstelle), selten Obstipation oder Überempfindlichkeitsreaktionen [29].
Lebensstilmodifikation & Verhaltenstherapie:
Neben Medikamenten ist eine multimodale Prophylaxe wichtig [22], [26]:
- regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus
- moderater Ausdauersport
- Stressmanagement (Achtsamkeit, progressive Muskelentspannung)
- Ernährungstagebuch zur Triggerkontrolle
- kognitive Verhaltenstherapie (KVT) zur besseren Krankheitsbewältigung
Cannabis als ergänzende Option bei Migräne
Stand der Evidenz
Die wissenschaftliche Datenlage zur Wirksamkeit von Cannabis bei Migräne ist bislang begrenzt. Die meisten Erkenntnisse stammen aus Beobachtungsstudien, Fallserien und Einzelfallberichten [31], [32]. Randomisierte, kontrollierte Studien (RCTs) sind selten und weisen häufig methodische Einschränkungen auf [33]. Erste Daten deuten darauf hin, dass Cannabis bei manchen Patient:innen Anfallshäufigkeit, -dauer und -intensität reduzieren kann, wobei dieser Effekt nicht bei allen Betroffenen nachweisbar ist [34].
Potenzielle Wirkmechanismen
Cannabis enthält zahlreiche pharmakologisch aktive Substanzen, vor allem Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD).
- THC wirkt analgetisch, antiemetisch und muskelentspannend, bei manchen Patient:innen zudem schlafanstoßend [35].
- CBD zeigt anxiolytische und entzündungshemmende Effekte und kann die zentrale Schmerzverarbeitung modulieren, ohne die psychoaktive Wirkung von THC [36].
Beide Cannabinoide beeinflussen das Endocannabinoid-System (ECS), das an der Regulation von Schmerzverarbeitung, Gefäßspannung und Neurotransmitterfreisetzung beteiligt ist [37].
Einfluss auf Schmerz, Schlaf und Begleitsymptome
Einige Patient:innen berichten unter Cannabisgebrauch über [31], [38]:
- Reduktion der Schmerzintensität während einer Attacke
- Besseren Schlaf, insbesondere nach Einnahme in der Akutphase
- Linderung begleitender Übelkeit und Photophobie
Diese Effekte sind individuell stark unterschiedlich und hängen von den Cannabissorten, Wirkstoffgehalt, Dosierung und Einnahmeform ab [39].
Einschränkungen
Die bisherige Forschungslage erlaubt keine generelle Empfehlung [33]. Herausforderungen sind:
- Fehlende Langzeitdaten zu Wirksamkeit und Sicherheit [31]
- Große interindividuelle Unterschiede in der Reaktion auf Cannabis [38]
- Heterogene Studienmethoden und uneinheitliche Dosierungsprotokolle [40]
Risiken & Nebenwirkungen
Mögliche Nebenwirkungen umfassen [35], [41]:
- Kognitive Beeinträchtigungen (Konzentrations- und Gedächtnisprobleme)
- Psychische Effekte (z. B. Angst, Paranoia)
- Fahruntüchtigkeit nach Einnahme
- Cannabinoid-Hyperemesis-Syndrom bei chronischem, hochdosiertem Konsum
Die Nutzen-Risiko-Abwägung sollte individuell erfolgen [34].
Anwendungshinweis
Cannabis sollte bei Migräne ausschließlich unter ärztlicher Begleitung eingesetzt werden. Es gilt das Prinzip „Start low, go slow“ – Beginn mit niedriger Dosierung und langsame Steigerung, um Nebenwirkungen zu minimieren [42].
Terpene – experimenteller Ansatz
Einige Terpene wie Myrcen (sedierend), Limonen (stimmungsaufhellend) oder Linalool (anxiolytisch) werden in der experimentellen Forschung mit möglichen Vorteilen bei Migräne in Verbindung gebracht [39].
Es existiert jedoch keine gesicherte klinische Evidenz, weshalb Terpene bislang nur als ergänzender, nicht validierter Ansatz gelten sollten [40].
Lebensstil, Prävention & Selbstmanagement bei Migräne
Schlafhygiene
Ein stabiler Schlaf-Wach-Rhythmus zählt zu den wirksamsten Faktoren der Migräneprävention [15][22].
- Regelmäßige Schlafenszeiten – auch am Wochenende [15]
- Schlaffördernde Umgebung: dunkel, ruhig, angenehme Temperatur [22]
- Vermeidung von Bildschirmlicht kurz vor dem Schlafengehen [15]
- Kein Koffein oder Alkohol in den Abendstunden [21]
Sowohl zu kurzer als auch zu langer Schlaf kann bei vielen Betroffenen Migräneanfälle triggern [15][22].
Ernährung
Ernährung kann als Trigger wirken, insbesondere bei bekannten Auslösern [18][26]:
- Individuelle Trigger-Lebensmittel wie gereifter Käse, Rotwein, Schokolade oder stark verarbeitete Produkte [18]
- Regelmäßige Mahlzeiten, um Blutzuckerschwankungen zu vermeiden [26]
- Ausreichend Flüssigkeit (mindestens 1,5–2 Liter/Tag), da Dehydrierung ein häufiger Auslöser ist [26]
Stressreduktion
Stress gehört zu den häufigsten Migräneauslösern – nicht nur in akuten Stressphasen, sondern auch in Entspannungsphasen („Wochenendmigräne“) [16][24].
Wirksam sind:
- Achtsamkeitsübungen, z. B. MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction) [16]
- Meditation oder Atemtechniken wie die 4-7-8-Atmung [16]
- Progressive Muskelentspannung nach Jacobson [16][24]
Bewegung & Entspannungstechniken
Regelmäßige, moderate Bewegung kann Anfallshäufigkeit und -intensität reduzieren [20][27]:
- Ausdauersportarten wie Schwimmen, Radfahren oder Walking [20]
- Sanfte Bewegungsformen wie Yoga oder Tai-Chi zur Stressregulation [20][27]
Zu intensive Belastung kann selbst als Trigger wirken [27].
Migränetagebuch
Ein Migränetagebuch unterstützt dabei, individuelle Muster zu erkennen [17][28]:
- Dokumentation von Schlaf, Ernährung, Wetter, Menstruationszyklus und Stresslevel [17]
- Notieren von Anfallsbeginn, Dauer, Symptomen und Medikation [17][28]
So lassen sich persönliche Trigger gezielter identifizieren und kontrollieren.
Triggerkontrolle
Das Ziel ist nicht, sämtliche potenziellen Trigger zu vermeiden, sondern Hochrisiko-Kombinationen zu reduzieren [17][28].
Das Trigger-Stacking-Konzept besagt, dass mehrere kleine Auslöser in Kombination (z. B. Schlafmangel + Stress + Wetterumschwung) eine Attacke wahrscheinlicher machen als ein einzelner Auslöser allein [17].
Ganzheitlicher Behandlungsansatz bei Migräne
Migräne ist eine komplexe neurologische Erkrankung, die weit über „gewöhnliche Kopfschmerzen“ hinausgeht [1][4][9]. Ihre multifaktorielle Entstehung – bestehend aus genetischen [2], neurovaskulären [3][7] und umweltbedingten Einflüssen [8][14] – macht es erforderlich, Therapieansätze individuell und multimodal zu gestalten.
Ein erfolgreicher Behandlungsplan integriert in der Regel:
- Akuttherapie zur schnellen Linderung der Symptome [11][13]
- Prophylaxe zur Reduktion der Anfallshäufigkeit [10][12]
- Lebensstilmaßnahmen wie Schlafhygiene, Ernährung, Stressreduktion und Bewegung [15][20][26]
- Trigger-Management mittels Migränetagebuch und gezielter Prävention [17][28]
- Ergänzende Optionen wie medizinisches Cannabis, sofern medizinisch indiziert und engmaschig ärztlich begleitet [31][35][40]
Entscheidend ist, dass die Patient:innen aktiv in den Prozess eingebunden werden – sowohl bei der Identifikation persönlicher Auslöser als auch bei der Wahl der geeigneten Therapie [19][23]. Die individuelle Abstimmung der Maßnahmen in enger Zusammenarbeit mit spezialisierten Ärzt:innen kann die Lebensqualität spürbar verbessern und die Krankheitslast deutlich senken [6][21][33].
Verwendete Quellen:
[1] GBD 2019 Diseases and Injuries Collaborators. Global burden of 369 diseases and injuries in 204 countries and territories, 1990–2019. The Lancet, 396(10258), 1204–1222.
[2] WHO. Headache disorders – Fact sheet. World Health Organization.
[3] Headache Classification Committee of the International Headache Society (IHS). The International Classification of Headache Disorders, 3rd edition. Cephalalgia, 38(1), 1–211.
[4] Steiner, T. J. et al. Migraine: the seventh disabler. Journal of Headache and Pain, 21, 76.
[5] Stovner, L. J. et al. Global prevalence of migraine: a systematic review. Cephalalgia, 42(6), 543–556.
[6] Lipton, R. B. et al. Migraine prevalence, disease burden, and the need for preventive therapy. Neurology, 68(5), 343–349.
[7] Buse, D. C. et al. Migraine in the United States: epidemiology and patterns of health care use. Neurology, 77(10), 968–976.
[8] Ashina, M. et al. Migraine: epidemiology and systems of care. The Lancet, 397(10283), 1485–1495.
[9] Charles, A. The pathophysiology of migraine: implications for clinical management. The Lancet Neurology, 17(2), 174–182.
[10] Goadsby, P. J. et al. Pathophysiology of migraine: a disorder of sensory processing. Physiological Reviews, 97(2), 553–622.
[11] Edvinsson, L. et al. CGRP as the target of new migraine therapies — successful translation from bench to clinic. Nature Reviews Neurology, 14, 338–350.
[12] Hansen, J. M. et al. Genetics and migraine: a review of current perspectives. Journal of Headache and Pain, 22, 55.
[13] Vetvik, K. G., MacGregor, E. A. Sex differences in migraine: a review. Journal of Headache and Pain, 18, 1–9.
[14] Kelman, L. The triggers or precipitants of the acute migraine attack. Cephalalgia, 27(5), 394–402.
[15] Sauro, K. M., Becker, W. J. The stress and migraine interaction. Headache, 49(9), 1378–1386.
[16] Marmura, M. J. et al. Triggers for migraine and tension-type headache: clinical evidence and pathophysiological mechanisms. Cephalalgia, 35(6), 493–501.
[17] Lipton, R. B. et al. Migraine diagnosis and treatment: results from the American Migraine Study II. Headache, 41(7), 638–645.
[18] Olesen, J. The International Classification of Headache Disorders, 3rd edition. Cephalalgia, 38(1), 1–211.
[19] Dodick, D. W. Differential diagnosis of headache. The Lancet Neurology, 1(1), 43–51.
[20] Silberstein, S. D. et al. Evidence-based guideline update: Pharmacologic treatment for episodic migraine prevention in adults. Neurology, 78(17), 1337–1345.
[21] Tfelt-Hansen, P. et al. Triptans in migraine: a comparative review of pharmacology, pharmacokinetics and efficacy. Drugs, 64(19), 2225–2258.
[22] Diener, H.-C. et al. Medication-overuse headache: a worldwide problem. The Lancet Neurology, 9(8), 713–726.
[23] Kuca, B. et al. Lasmiditan is an oral, centrally acting, selective 5-HT1F receptor agonist for acute treatment of migraine. CNS Drugs, 32, 1103–1117.
[24] Goadsby, P. J. et al. Ubrogepant for the acute treatment of migraine. New England Journal of Medicine, 381, 2230–2241.
[25] Lipton, R. B. et al. Rimegepant, an oral calcitonin gene–related peptide receptor antagonist, for migraine. New England Journal of Medicine, 381, 142–149.
[26] Silberstein, S. D. et al. Efficacy and tolerability of preventive drugs for migraine: overview of Cochrane reviews. Cochrane Database Syst Rev, 2013(6).
[27] Barbanti, P. et al. Erenumab in migraine prevention: evidence and clinical implications. Therapeutic Advances in Neurological Disorders, 12.
[28] Tepper, S. et al. Safety and efficacy of erenumab for preventive treatment of chronic migraine: a randomized, double-blind, placebo-controlled phase 2 trial. The Lancet Neurology, 16(6), 425–434.
[29] Ashina, M. et al. CGRP-targeted therapies for migraine. New England Journal of Medicine, 381, 1691–1702.
[30] Andrasik, F., Grazzi, L. Behavioral management of migraine: treatment components and issues. Headache, 45(4), 439–444.
[31] Wells, R. E. et al. Meditation for migraines: a pilot randomized controlled trial. Headache, 54(9), 1484–1495.
[32] Rhyne, D. N. et al. Effects of medical marijuana on migraine headache frequency in an adult population. Pharmacotherapy, 36(5), 505–510.
[33] Cuttler, C. et al. Short- and long-term effects of cannabis on headache and migraine. Journal of Pain, 21(7-8), 722–731.
[34] Baron, E. P. Comprehensive review of medicinal marijuana, cannabinoids, and therapeutic implications in medicine and headache: What a long strange trip it’s been… Headache, 55(6), 885–916.
[35] Russo, E. B. Cannabis and headache: An historical perspective. Cannabis and Cannabinoid Research, 3(1), 180–189.
[36] Mechtler, L. et al. Medical cannabis for neurological disorders: a review. Journal of Neurological Sciences, 395, 88–96.
[37] Huestis, M. A. Human cannabinoid pharmacokinetics. Chemistry & Biodiversity, 4(8), 1770–1804.
[38] Hall, W., Degenhardt, L. Adverse health effects of non-medical cannabis use. The Lancet, 374(9698), 1383–1391.
[39] Sorensen, C. J. et al. Cannabinoid hyperemesis syndrome: diagnosis, pathophysiology, and treatment. Current Drug Abuse Reviews, 10(1), 51–59.
[40] Shannon, S. et al. Cannabidiol in anxiety and sleep: a large case series. Permanente Journal, 23, 18–041.
[41] Babson, K. A. et al. Cannabis, cannabinoids, and sleep: a review of the literature. Current Psychiatry Reports, 19(4), 23.
[42] Walsh, Z. et al. Cannabis for therapeutic purposes: patient characteristics, access, and reasons for use. International Journal of Drug Policy, 33, 24–32.