Wie bei jedem Arzneimittel können auch Cannabisarzneien mit anderen Medikamenten wechselwirken. Dabei kann sich die Wirkung einzelner Präparate verstärken oder abschwächen, es können neue Nebenwirkungen entstehen oder Laborwerte verändern sich. Solche Effekte entstehen vor allem, weil viele Wirkstoffe – auch Cannabinoide – über dieselben Enzymsysteme in der Leber abgebaut werden (Grotenhermen 2017, Clin Pharmacokinet 56(4):399–420).
Für Sie als Patient:in bedeutet das: Wenn Sie Medizinalcannabis erhalten, sollten Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt über alle anderen Medikamente und Nahrungsergänzungen informieren, damit mögliche Wechselwirkungen erkannt und überwacht werden können.
Stoffwechsel über CYP450-Enzyme
Die meisten Cannabinoide werden in der Leber über sogenannte Cytochrom-P450-Enzyme (CYP) abgebaut. Besonders wichtig sind hier CYP3A4 und CYP2C9 für THC sowie CYP3A4 und CYP2C19 für CBD (Zendulka et al. 2016, Curr Drug Metab 17(3):206–226). Diese Enzyme sind auch für den Abbau vieler anderer Medikamente zuständig.
Wenn zwei Wirkstoffe gleichzeitig dieselben Enzyme nutzen, kann es zu Wechselwirkungen kommen: Der Abbau wird gebremst oder beschleunigt, wodurch sich die Konzentration im Blut verändert. Das kann eine verstärkte oder abgeschwächte Wirkung nach sich ziehen und in manchen Fällen das Nebenwirkungsrisiko erhöhen (Grotenhermen 2017, Clin Pharmacokinet 56(4):399–420).
Die Art, wie Ihr Körper Cannabisarzneien verarbeitet, kann sich demnach mit anderen Medikamenten überschneiden – deshalb sind ärztliche Kontrolle und gegebenenfalls Anpassungen der Dosierung wichtig.
Typische Wirkstoffgruppen mit bekannten Wechselwirkungen
Einige Arzneimittelgruppen sind besonders bekannt dafür, mit Cannabisarzneien zu interagieren, weil sie dieselben Enzymsysteme nutzen oder empfindlich auf Veränderungen im Stoffwechsel reagieren. Beispiele:
- Blutverdünner wie Warfarin: Cannabidiol (CBD) kann den Warfarin-Abbau hemmen und dadurch dessen Wirkung verstärken – die Blutgerinnungswerte (INR) können steigen (Grayson et al. 2018, Epilepsy Behav Case Rep 9:10–11).
- Immunsuppressiva wie Tacrolimus oder Cyclosporin: Berichte zeigen, dass Cannabisarzneien die Spiegel dieser Medikamente verändern können; engmaschige Kontrolle durch Ärzt:innen ist nötig (Zendulka et al. 2016, Curr Drug Metab 17(3):206–226).
- Antidepressiva und Antipsychotika (z. B. SSRI, trizyklische Antidepressiva): Auch hier kann CBD den Abbau über CYP2C19 beeinflussen, wodurch sich Wirkspiegel verändern können (Ujváry & Hanus 2016, Curr Drug Metab 17(4):327–333).
Diese Beispiele zeigen, dass regelmäßige Blutkontrollen und eine genaue Abstimmung mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt wichtig sind, wenn Cannabisarzneien zusammen mit anderen Medikamenten eingenommen werden.
Unterschiedliche Cannabinoide, unterschiedliche Interaktionen
Nicht alle Cannabinoide wirken gleich auf den Medikamentenstoffwechsel. THC und CBD nutzen zwar teilweise dieselben Enzyme, hemmen oder aktivieren sie aber unterschiedlich stark. So zeigt CBD zum Beispiel eine deutlich stärkere Hemmung von CYP2C19 als THC, was dazu führen kann, dass Medikamente, die über dieses Enzym abgebaut werden, langsamer eliminiert werden (Ujváry & Hanus 2016, Curr Drug Metab 17(4):327–333).
Auch für THC sind Interaktionen beschrieben, etwa über CYP3A4 oder CYP2C9, wodurch Blutspiegel anderer Medikamente beeinflusst werden können (Zendulka et al. 2016, Curr Drug Metab 17(3):206–226).
Diese Unterschiede bedeuten, dass bei jeder Cannabisarznei individuell geprüft werden sollte, ob und welche Wechselwirkungen relevant sein können.
Ärztliche Begleitung und Monitoring
Wechselwirkungen zwischen Cannabisarzneien und anderen Medikamenten lassen sich in der Regel gut steuern, wenn sie frühzeitig erkannt und regelmäßig überwacht werden. Ärzt:innen können z. B. bei Risikomedikamenten wie Warfarin, Tacrolimus oder bestimmten Psychopharmaka engmaschigere Blutspiegelkontrollen anordnen und die Dosierungen anpassen (Grotenhermen 2017, Clin Pharmacokinet 56(4):399–420).
Wichtig ist, dass bei Beginn oder Änderung einer Cannabistherapie alle begleitenden Medikamente dokumentiert werden und eventuelle neue Symptome zeitnah kommuniziert werden. So lassen sich unerwünschte Wechselwirkungen früh erkennen und vermeiden.