Der Einsatz von Cannabis in der Behandlung psychischer Erkrankungen wird zunehmend diskutiert. Besonders bei Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS), Angststörungen oder Depressionen mehren sich die Hinweise auf ein therapeutisches Potenzial. Doch wie belastbar ist die Evidenz? Welche Risiken bestehen? Und was sollten Patient:innen beachten?
Wichtig: Cannabis wird in der Regel bei psychischen Erkrankungen nur ergänzend zur Therapie eingesetzt. Ärztliche Begleitung ist unerlässlich.
Cannabis bei PTBS
PTBS ist eine der am besten untersuchten psychischen Erkrankungen für eine Therapie mit medizinischem Cannabis. Studien zeigen, dass insbesondere THC-dominierte Sorten bei Intrusionen, Alpträumen und Hyperarousal lindernd wirken können [1].
Zahlreiche Patient:innen berichten von verbesserter Schlafqualität und einem besseren Umgang mit Flashbacks. Die Wirkung wird u. a. auf die Modulation des Endocannabinoid-Systems und die Hemmung der Stressantwort zurückgeführt [2].
„Cannabisbasierte Medikamente können bei ausgewählten PTBS-Patient:innen eine klinisch relevante Symptomverbesserung erzielen.“ [3]
Cannabinoide bei Angststörungen
Für Angststörungen ist die Studienlage differenziert: CBD zeigt in mehreren randomisierten Studien eine anxiolytische Wirkung [4]. THC hingegen kann – insbesondere bei hohen Dosen oder unerfahrener Anwendung – ängstigend oder gar paranoide Zustände hervorrufen.
In niedriger Dosierung und unter ärztlicher Kontrolle kann jedoch auch THC angstlindernd wirken, insbesondere in Kombination mit CBD (z. B. in balancierten Sorten oder Vollspektrumextrakten) [5].
Cannabis bei Depressionen
Der Zusammenhang zwischen Cannabis und Depression ist komplex. Einerseits berichten viele Patient:innen von Stimmungsaufhellung und Antriebsminderung, andererseits kann ein dauerhafter, unkontrollierter Konsum auch depressive Verstimmungen begünstigen [6].
Die individuelle Reaktion scheint stark vom Cannabinoidprofil, der Dosierung und der Komorbidität abzuhängen. Erste Studien legen nahe, dass Cannabis als Begleitmedikation bei therapieresistenter Depression unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll sein kann [7].
Risiken und Grenzen der Cannabis-Therapie
Bei allen psychischen Erkrankungen gilt: Eine Cannabistherapie sollte niemals substituierend, sondern komplementär zur psychiatrischen Behandlung erfolgen. Risiken wie Psychoseinduktion, Abhängigkeit oder Stimmungsinstabilität müssen individuell abgewogen werden [8].
Wichtig ist eine enge Begleitung durch erfahrene Ärzt:innen, eine klare Zieldefinition und die Beachtung der psychiatrischen Grunderkrankung.
Potenzial bei klarer Diagnose
Cannabis ist kein Wundermittel gegen psychische Erkrankungen – kann aber bei bestimmten Leiden wie PTBS oder Angststörungen zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Voraussetzung ist eine differenzierte Diagnose, kontrollierte Anwendung und engmaschige therapeutische Betreuung.
Literatur
[1] Jetly R et al. The efficacy of nabilone in PTSD-related insomnia. Psychopharmacology (2015)
[2] Neumeister A. The endocannabinoid system and stress. Neuropsychopharmacology (2013)
[3] Müller-Vahl/Kutscher. In: Müller-Vahl/Grotenhermen (Hrsg.), Cannabis und Cannabinoide in der Medizin. 2024.
[4] Shannon S et al. Cannabidiol in anxiety and sleep: A large case series. Perm J (2019)
[5] Blessing EM et al. Cannabidiol as a potential treatment for anxiety disorders. Neurotherapeutics (2015)
[6] Lev-Ran S et al. Association between cannabis use and depression: A systematic review. J Affect Disord (2014)
[7] Gruber SA et al. Splendor in the grass? A pilot study assessing cannabis-based treatment for depressive symptoms. Front Psychiatry (2021)
[8] Hoch E et al. Risiken des medizinischen Cannabisgebrauchs. Bundesgesundheitsblatt (2019)