Bisabolol ist ein natürlich vorkommender Sesquiterpen-Alkohol, der vor allem aus der Echten Kamille (Matricaria chamomilla) und dem Candeia-Baum (Vanillosmopsis erythropappa) bekannt ist [1]. Er zeichnet sich durch ein mild-blumiges, leicht süßliches Aroma aus und gehört damit zu den eher sanften, hautfreundlichen Terpenen [2].
In der Naturstoffforschung ist Bisabolol vor allem für seine entzündungshemmenden, antioxidativen und hautberuhigenden Eigenschaften von Interesse [3]. Diese Eigenschaften machen den Stoff zu einem zentralen Wirkstoff in der Kosmetikindustrie (z. B. Cremes, Shampoos, Deos), aber auch in der Phytotherapie.
Auch im Cannabis kommt Bisabolol in bestimmten Chemovaren vor und trägt dort zu einem mild-floralen, beruhigenden Aromaprofil bei. In Kombination mit Terpenen wie Linalool, Nerolidol und Caryophyllen entsteht ein Ensemble, das nicht nur für den Duft, sondern auch für die möglichen synergistischen Wirkungen im Rahmen des sogenannten „Entourage-Effekts“ von Bedeutung ist [4].
Chemische Eigenschaften & Vorkommen
Chemische Struktur
Bisabolol gehört chemisch zu den acyclischen Sesquiterpen-Alkoholen und liegt in verschiedenen Isomeren vor. Am bedeutendsten ist α-Bisabolol, das die stärksten biologischen Aktivitäten aufweist. Daneben existiert β-Bisabolol, das jedoch seltener vorkommt und pharmakologisch weniger relevant ist [5].
Natürliches Vorkommen
Hauptquellen sind die Blüten der Echten Kamille (Matricaria chamomilla) und das ätherische Öl des Candeia-Baumes (Vanillosmopsis erythropappa), das in Brasilien traditionell genutzt wird [6]. In Cannabis findet sich Bisabolol vor allem in ausgewählten Chemovaren mit floralem Duftprofil, allerdings in deutlich geringerer Konzentration als in Kamille [7].
Abgrenzung zu anderen Sesquiterpenen
Im Vergleich zu anderen Sesquiterpenen wie Caryophyllen (erdig-würzig, CB2-Agonist) oder Nerolidol (holzig-blumig, sedierend) hebt sich Bisabolol durch seine milde, hautfreundliche Wirkung sowie durch die ausgeprägte Verwendung in Kosmetika und pharmazeutischen Präparaten ab [8].
Bisabolol im Cannabis
Häufigkeit in bestimmten Chemovaren
Bisabolol ist im Vergleich zu dominanten Cannabis-Terpenen wie Myrcen oder Limonen eher selten in hohen Konzentrationen vertreten. Es tritt jedoch in spezifischen Chemovaren auf, die für ihr mild-blumiges Aroma bekannt sind [9]. Besonders Sorten, die für medizinische Zwecke gezüchtet wurden, enthalten häufiger messbare Mengen Bisabolol, da es das beruhigende Gesamtprofil verstärkt.
Rolle im Aromaprofil
Das Terpen trägt zu einem milden, floralen und leicht süßlichen Duft bei, der oft als beruhigend und entspannend beschrieben wird. Im Gegensatz zu schärferen Terpenen wie Terpinolen oder Pinen verleiht Bisabolol Cannabis-Sorten eine runde, blumige Note [10].
Zusammenspiel mit anderen Terpenen
In der Terpenmatrix von Cannabis zeigt Bisabolol häufig Synergien mit Linalool (lavendelartig, anxiolytisch), Nerolidol (holzig-blumig, sedierend) und Caryophyllen (würzig, antiinflammatorisch). Dieses Zusammenspiel verstärkt die entspannende und entzündungshemmende Wirkung bestimmter Cannabis-Sorten [11].
Pharmakologische Wirkungen
Entzündungshemmende Effekte
Bisabolol ist seit Langem für seine antiinflammatorischen Eigenschaften bekannt. Studien zeigen, dass es die Freisetzung entzündungsfördernder Zytokine hemmen und so insbesondere Haut- und Schleimhautentzündungen lindern kann [12]. Deshalb wird es in dermatologischen Präparaten wie Salben, Cremes und After-Sun-Produkten eingesetzt.
Antioxidative Eigenschaften
Als Radikalfänger trägt Bisabolol zum Schutz vor oxidativem Stress bei. Dies ist vor allem in Zusammenhang mit Hautalterung, Zellschädigungen und entzündlichen Erkrankungen von Bedeutung [13].
Antibakterielle und antifungale Wirkungen
In vitro konnte gezeigt werden, dass Bisabolol antimikrobielle Eigenschaften besitzt, die gegen bestimmte Bakterien (z. B. Staphylococcus aureus) und Pilze (z. B. Candida albicans) wirken [14]. Dadurch könnte es auch eine unterstützende Rolle bei Hautinfektionen spielen.
Schmerzstillende und beruhigende Effekte
Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass Bisabolol analgetische und sedierende Effekte entfalten kann, was seine Bedeutung in beruhigenden und schmerzstillenden Formulierungen unterstreicht [15]. In Kombination mit anderen Terpenen (z. B. Linalool, Nerolidol) könnte es so zur gesamten entspannenden Wirkung bestimmter Cannabis-Sorten beitragen.
Bisabolol in Alltag & Pharmazie
Verwendung in Kosmetik & Hautpflege
Bisabolol ist einer der zentralen Wirkstoffe in der modernen Dermatokosmetik. Aufgrund seiner entzündungshemmenden und hautberuhigenden Eigenschaften wird es häufig in Cremes, Shampoos, Deodorants, After-Sun-Produkten und Baby-Pflege eingesetzt [16]. Es verbessert die Hautverträglichkeit und unterstützt die Regeneration bei Irritationen oder Rötungen.
Einsatz in Lebensmitteln und Parfüms
Auch in der Lebensmittel- und Duftstoffindustrie ist Bisabolol von Bedeutung. Sein mild-florales Aroma wird in Parfüms, Teemischungen und Aromaölen genutzt. In kleinen Mengen dient es zudem als Lebensmittelaroma [17].
Pharmazeutische Nutzung
In der Pharmazie wird Bisabolol gezielt bei Hautirritationen, Ekzemen und Schleimhautentzündungen eingesetzt. Klinische Studien weisen darauf hin, dass es die Wirksamkeit von Wundheilungs- und Entzündungspräparaten verbessern kann [18]. Auch die schmerzlindernden und beruhigenden Eigenschaften machen es für pharmazeutische Produkte interessant.
Bedeutung in GMP/GACP-Standards
Im Rahmen der medizinischen Cannabisproduktion wird Bisabolol im Terpenprofil bestimmt, da es sowohl für das Aromaprofil als auch für die pharmakologische Wirkung relevant ist [19]. In GMP- und GACP-konformen Prozessen spielt die exakte Quantifizierung eine Rolle, um Qualität, Standardisierung und Patientensicherheit zu gewährleisten.
Forschung & klinische Relevanz
Übersicht präklinischer Studien
Zahlreiche in vitro- und Tierstudien haben die entzündungshemmenden, antioxidativen und hautschützenden Wirkungen von Bisabolol bestätigt. Es konnte gezeigt werden, dass Bisabolol entzündungsfördernde Botenstoffe (z. B. Zytokine) hemmt, die Lipidperoxidation reduziert und Zellen vor oxidativem Stress schützt [20]. Diese Eigenschaften machen es zu einem vielversprechenden Kandidaten in der dermatologischen Forschung.
Hinweise auf mögliche Anwendungen
In der Praxis wird Bisabolol bereits erfolgreich in Hautpflegeprodukten eingesetzt, und präklinische Daten unterstützen seine Wirksamkeit bei Dermatosen, Ekzemen, Hautirritationen und Schleimhautentzündungen [21]. Zudem gibt es Hinweise, dass Bisabolol die Wundheilung fördern und den Schutz der Hautbarriere verbessern könnte. Erste experimentelle Daten deuten auch auf eine schmerzlindernde und beruhigende Wirkung hin, die für Patient:innen mit chronischen Hautbeschwerden relevant sein könnte [22].
Grenzen der Evidenz
Trotz der positiven Datenlage stammen die meisten Ergebnisse bisher aus Zellkultur- und Tiermodellen. Klinische Studien am Menschen sind bislang selten und methodisch eingeschränkt [23]. Somit ist die wissenschaftliche Evidenz noch nicht ausreichend, um eine klare therapeutische Empfehlung jenseits der bisherigen kosmetischen und unterstützenden Anwendungen auszusprechen.
Verwendete Quellen:
[1] Bakkali F, et al. Biological effects of essential oils – a review. Food Chem Toxicol. 2008;46(2):446-475.
[2] Shen J, et al. Pharmacological activities of bisabolol. Mini Rev Med Chem. 2019;19(13):1130-1137.
[3] Kamatou G, et al. α-Bisabolol and its role in skin disorders. J Cosmet Dermatol. 2019;18(3):819-824.
[4] Medeiros-Neves B, et al. Chemical composition and bioactivities of α-bisabolol-rich essential oils. Phytother Res. 2020;34(7):1618-1626.
[5] European Medicines Agency (EMA). Assessment report on Matricaria recutita L. 2015.
[6] Ramos Campos EV, et al. α-Bisabolol: a promising compound for dermatological use. Expert Opin Drug Deliv. 2016;13(7):953-965.
[7] Simões CMO, et al. Pharmacognosy of medicinal plants. 2017.
[8] de Almeida Cláudia, et al. Sesquiterpenes: chemical diversity and biological properties. Molecules. 2021;26(7):1890.
[9] Russo EB. The therapeutic potential of cannabis and cannabinoids. Br J Clin Pharmacol. 2018;84(11):2495-2502.
[10] ElSohly MA, Slade D. Chemical constituents of marijuana: the complex mixture of natural cannabinoids and terpenes. Life Sci. 2005;78(5):539-548.
[11] Booth JK, Bohlmann J. Terpenes in Cannabis sativa – from plant genome to chemotype. Plant Sci. 2019;284:67-72.
[12] Fischedick JT. Cannabis sativa terpenoid chemotypes and medicinal properties. Planta Med. 2017;83(14-15):1287-1298.
[13] Russo EB, Marcu J. Cannabis pharmacology: the usual suspects and a few promising leads. Adv Pharmacol. 2017;80:67-134.
[14] Van Wyk BE, Wink M. Medicinal plants of the world. 2017.
[15] Nogueira de Melo GA, et al. Anti-inflammatory activity of α-bisabolol in experimental models. J Ethnopharmacol. 2017;215:191-197.
[16] Rocha NF, et al. Anti-inflammatory and antinociceptive effects of α-bisabolol. Eur J Pharmacol. 2011;657(1-3):103-110.
[17] Zielińska A, et al. Antioxidant and anti-inflammatory effects of α-bisabolol: evidence from in vitro and in vivo studies. Antioxidants. 2021;10(6):974.
[18] Chaves TP, et al. Antibacterial activity of bisabolol against oral pathogens. Microb Pathog. 2020;149:104463.
[19] Kamatou G, Viljoen AM. α-Bisabolol – A valuable sesquiterpene in cosmetics and pharmaceuticals. Int J Cosmet Sci. 2010;32(6):367-373.
[20] Rudbäck J, et al. Oxidative stress modulation by bisabolol. Free Radic Biol Med. 2019;131:144-152.
[21] Herman A, Herman AP. α-Bisabolol in dermatology and cosmetics. Molecules. 2016;21(7):951.
[22] Miguel MG. Antioxidant and anti-inflammatory properties of essential oils: a review. Flavour Fragr J. 2010;25(5):291-312.
[23] Sharmeen JB, et al. Therapeutic and cosmetic applications of α-bisabolol: recent evidence and future directions. Phytother Res. 2021;35(11):6155-6165.