Die Vorstellung, mit sehr kleinen Mengen THC therapeutische Effekte zu erzielen – ohne Rauschwirkung oder Kontrollverlust – gewinnt zunehmend an Bedeutung. Dieses Konzept nennt sich Mikrodosierung und wird vor allem bei chronischen Beschwerden wie Schmerzen, Angststörungen oder ADHS diskutiert. Doch was genau versteht man unter Mikrodosierung von Cannabis? Und wie belastbar ist die Studienlage dazu?
Was bedeutet Mikrodosierung bei THC?
Unter Mikrodosierung versteht man die gezielte Einnahme extrem niedriger Wirkstoffmengen, die unterhalb der klassischen therapeutischen Dosis liegen – oft im Bereich von 0,5 bis 2,5 mg THC pro Einnahme. Ziel ist es, eine subtile, aber spürbare Verbesserung der Symptome zu erreichen – ohne psychotrope Effekte wie Rausch, Müdigkeit oder kognitive Beeinträchtigung.
Dieses Konzept ist nicht neu: Auch bei Psychedelika wie LSD oder Psilocybin wird es seit Jahren intensiv erforscht. In der Cannabismedizin erhält Mikrodosierung zunehmend Aufmerksamkeit als schonender Einstieg, insbesondere bei empfindlichen Patient:innen.
Was sagt die Forschung?
Die wissenschaftliche Evidenz zur Mikrodosierung von THC ist noch begrenzt – aber erste Studien liefern ermutigende Hinweise:
- In einer randomisierten Doppelblindstudie an Krebspatient:innen mit chronischen Schmerzen zeigte sich, dass eine sehr niedrige THC-Dosis (1,29 mg/Tag) ähnlich gut wirkte wie eine mittlere Dosis (3,53 mg/Tag), aber mit deutlich weniger Nebenwirkungen [1].
- Eine Untersuchung bei älteren Menschen mit Schlafproblemen ergab, dass niedrig dosiertes THC (1–2 mg) die Einschlafzeit verbessern konnte, ohne die kognitive Leistung zu beeinträchtigen [2].
- In einem Fallbericht zur ADHS-Behandlung wurde beschrieben, dass Mikrodosen THC in Kombination mit CBD zu verbesserter Konzentration und reduzierter Impulsivität führten – allerdings fehlen hier größere Studien [3].
Für wen kann Mikrodosierung sinnvoll sein?
- Patient:innen mit THC-Empfindlichkeit, z. B. ältere Menschen, Cannabisneulinge oder Personen mit psychischer Vorbelastung
- bei niedrigschwelligen Symptomen wie innerer Unruhe, leichter Schmerz, Schlafstörung
- als Einstiegsstrategie, um die individuell optimale Dosis („Minimum Effective Dose“) zu finden
- zur Vermeidung von Toleranzbildung oder Reduktion psychoaktiver Effekte
Wie erfolgt die Anwendung?
- Inhalation (z. B. mit Vaporizer) ermöglicht eine sehr feindosierte Aufnahme
- Tropfen mit standardisierter Konzentration an Cannabinoiden (z. B. Dronabinol-Lösungen) bieten hohe Dosiergenauigkeit
- Cannabisblüten können in sehr kleinen Mengen (0,05–0,1 g) verwendet werden – dabei ist auf genaue THC-Gehalte zu achten
Eine ärztliche Begleitung ist wichtig, um Überdosierung oder Wechselwirkungen zu vermeiden.
Vorteile der Mikrodosierung
✔ Geringeres Nebenwirkungsrisiko
✔ Keine Beeinträchtigung der Alltagsfunktionen
✔ Gut steuerbare Titration
✔ Kann bei vielen Symptombereichen nützlich sein – besonders wenn „klassische“ Dosierungen zu stark wirken
Alltagstaugliche Linderung
Die Mikrodosierung von THC ist ein vielversprechender Ansatz für bestimmte Patient:innengruppen – insbesondere, wenn eine sanfte, alltagstaugliche Linderung ohne Rauschwirkung gewünscht ist. Zwar steckt die Forschung noch in den Anfängen, doch erste Daten zeigen: Weniger kann manchmal mehr sein. Eine enge ärztliche Begleitung und Beratung durch die Cannabis Apotheke bleibt dabei entscheidend.
Literatur
[1] Haroutounian S et al. (2016): The Effect of Medicinal Cannabis on Pain and Quality-of-Life Outcomes in Chronic Pain: A Prospective Open-label Study. Clin J Pain. 32(12):1036–1043.
[2] Suraev AS et al. (2020): Cannabinoid therapies in the management of sleep disorders: A review of preclinical and clinical studies. Sleep Health. 6(2):189–202.
[3] Schneider M et al. (2015): Medical Cannabis Use in Patients with ADHD – Clinical Experience. In: Grotenhermen/Fischer (Hrsg.): Handbook of Cannabis Therapeutics.