Immer mehr Menschen erhalten Cannabis auf Rezept – sei es zur Behandlung chronischer Schmerzen, bei Spastik oder anderen Indikationen. Doch was bedeutet das für die Teilnahme am Straßenverkehr? Dürfen Patient:innen Auto fahren? Welche Grenzwerte gelten? Und wann droht der Entzug der Fahrerlaubnis? Dieser Beitrag bietet einen Überblick für medizinische Cannabisnutzer:innen.
Ist Fahren mit Cannabis im Blut grundsätzlich verboten?
Nein. Wer Cannabis legal als Medikament verschrieben bekommt, darf grundsätzlich am Straßenverkehr teilnehmen – allerdings nur, wenn die Fahrtüchtigkeit nicht eingeschränkt ist. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) und die Fahrerlaubnisverordnung (FeV) mehrfach klargestellt [1].
Welche Voraussetzungen gelten für Cannabispatient:innen?
Medizinisch behandelte Patient:innen dürfen dann Auto fahren, wenn:
- eine regelmäßige und stabile Einnahme der Medikation vorliegt,
- keine Ausfallerscheinungen auftreten (z. B. Konzentrationsstörungen, Schwindel),
- sie nicht „zusätzlich“ konsumieren, d. h. außerhalb der verordneten Einnahmeschemata, [2]
- sie über die Wirkung und Risiken des Medikaments aufgeklärt wurden.
Wie unterscheiden sich Patient:innen von Freizeitkonsumenten?
Freizeitkonsum von Cannabis war im Straßenverkehr bislang streng reguliert. Bis April 2024 lag der THC-Grenzwert bei 1,0 ng/ml Blutserum.
Mit Inkrafttreten des neuen Cannabisgesetzes (CanG) wurde dieser Grenzwert angepasst: Seit 2024 gilt für den nichtmedizinischen Konsum von Cannabis ein neuer Richtwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum. Dieser Wert wurde auf Empfehlung der Sachverständigenkommission festgelegt [3].
Bei medizinischen Cannabispatient:innen gilt dieser Grenzwert nicht automatisch. Entscheidend ist weiterhin, ob sie verkehrstüchtig waren und keine Auffälligkeiten gezeigt haben [4].
Was droht bei einem Unfall?
Wenn Patient:innen unter Cannabiswirkung einen Unfall verursachen, kann das ernste Konsequenzen haben:
- Haftung und Regress durch die Versicherung
- Strafverfahren bei Verdacht auf Fahruntüchtigkeit
- Entzug der Fahrerlaubnis bei nachgewiesener Einschränkung der Fahrtüchtigkeit
Deshalb ist besonders wichtig: Wer sich nach der Einnahme benommen, müde oder unkonzentriert fühlt, sollte nicht fahren – auch bei legaler Verordnung.
Wie können Patient:innen sich absichern?
- Immer Arztbescheinigung und Rezeptnachweis mitführen
- Einnahmezeiten dokumentieren
- Verkehrstauglichkeit selbstkritisch einschätzen
- Im Zweifel: alternative Verkehrsmittel nutzen
Erlaubt, aber nicht grenzenlos
Cannabispatient:innen dürfen Auto fahren, solange sie nicht berauscht sind und ihre Medikation kontrolliert einnehmen. Sie sind damit rechtlich anders zu behandeln als Freizeitkonsumenten. Dennoch bleibt die Eigenverantwortung hoch: Wer Symptome wie Schwindel, verlangsamte Reaktionsfähigkeit oder Koordinationsprobleme verspürt, sollte nicht ans Steuer gehen – auch nicht mit Rezept.
Literatur
[1] BGH, Beschluss vom 14.02.1985 – 4 StR 372/84; FeV Anlage 4, Nr. 9.2.2
[2] Vgl. auch: Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt): „Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung“ (2022), S. 146: „Bei medizinisch verordnetem Cannabis besteht die Fahreignung nur dann, wenn kein weiterer, nicht verordneter Konsum erfolgt.“
BGH, Beschluss vom 14.02.1985 – 4 StR 372/84; FeV Anlage 4, Nr. 9.2.2
[3] Empfehlung der Arbeitsgruppe „Cannabis im Straßenverkehr“ im Auftrag des BMDV, März 2024
[4] Schüler R. Cannabis als Medizin und Fahrerlaubnis. In: Müller-Vahl/Grotenhermen (Hrsg.), Cannabis und Cannabinoide in der Medizin. 2024.